Erfahrungsbericht Erasmus Plus Auslandspraktikum, Kroatien Sommer 2022

Mein Name ist Nicole Utsch. Ich bin 24 Jahre alt und im zweiten Lehrjahr bei DB Fernverkehr zur Ausbildung als Mechatronikerin. Im Sommer 2022 hatte ich die Chance ein vierwöchiges Erasmus Plus Praktikum im Ausland zu absolvieren. Ich wurde durch die an der Heinrich-Kleyer-Schule durgeführten Informationsveranstaltungen darauf aufmerksam. So kam ich in Kontakt mit Josip Primorac, einem Mobilitätsberater der Handwerkskammer Rhein Main, der mich bei allen Details von der Planung bis zum Aufenthalt selbst unterstützte.

Da mein Ziel war praktische Erfahrung im Bereich der Zugreparatur zu sammeln, waren meine Praktikumsorte sehr eingeschränkt. Was von meiner Seite unwissentlich die Suche noch erschwerte, war die Tatsache, dass viele in Frage kommende Unternehmen im August Sommerferien machen. So wechselte mein gewünschter Standort von Irland nach Italien, um schließlich und erfreulich in Kroatien, genauer in Slavonski Brod zu enden.

Ich hatte vorher noch nie von dieser Stadt gehört und nach einer Suche in Google Maps stellte ich fest, das Slavonski Brod in der Nähe der der bosnischen Grenze und weit entfernt von den touristischen Gegenden am Meer lag. Dies sah ich als Vorteil und so wurde der Praktikumsvertrag eine Woche vor Abreise abgeschlossen. Da meine Abreise in den Streik des Flugpersonals fiel, war Fliegen ausgeschlossen. Daher gab es nur die Möglichkeit, mit dem Bus oder mit dem eigenen Motorrad zu fahren. Ich entschied mich für die Anreise mit dem Motorrad. Dadurch würde ich in Kroatien mobiler sein und so die Möglichkeit haben, mehr von diesem Land zu sehen.

Und so fuhr ich zum ersten Mal eine längere Strecke mit meinem Motorrad, welche mich gleich über drei Ländergrenzen führte (Österreich, Slowenien und schließlich Kroatien). Da Timing alles ist und ich das Talent besitze immer den falschen Zeitpunkt zu erwischen, begann meine Reise zusammen mit vielen in die Sommerferien startenden Urlaubern und somit wurde aus einer 11 stündigen Fahrt eine 16 stündige mit vielen Staus und einer Übernachtung in einem Hotel irgendwo in Österreich. Endlich in Slavonski Brod angekommen erwartete mich der Vermieter (AirBnB) und zeigte mir die schöne Ein-Zimmer-Wohnung im siebten Stock nur 700m von meinem Praktikumsplatz entfernt. Diese Wohnung aber auch den Praktikumsplatz konnte ich nur durch die Tatkräftige Unterstützung von Jelena Miličević von der kroatischen Wirtschaftsvereinigung und Josip Primorac, der bei der Mobilitätsberatung der hessischen Wirtschaft für Erasmus Plus zuständig ist, bekommen. Beiden bin ich sehr dankbar für die tatkräftige Unterstützung!

Am 1. August um 6:55 Uhr begann mein erster Tag. Nach Beseitigungen einiger Missverständnisse wurde ich durch das Werksgelände von Ordžavanje vagona d.o.o. (kurz OV) geführt. Schnell zeigte sich mir, dass es die Möglichkeit gab, hier viel neues zu lernen, da sich der Betrieb doch von meiner Ausbildungsstelle erheblich unterschied. Angefangen von der Art der Züge, nämlich keine elektrisch betriebenen (ICEs) wie ich es gewohnt war, sondern Dieselzüge und Wagen, welche für Cargo und nicht Personen ausgelegt waren, bis hin zum Aufbau und Struktur der Werkstätten. Hier wurden viel mehr Wartungen und Revisionen gemacht als ich es gewohnt war, auch war die Fehlersuche eher minimal. Es gab klare Arbeitsstrukturen und jeder wusste genau, was seine Aufgabe ist. Dieses Verhalten war mir bis dahin eher fremd, da bei der Fehlersuch an ICEs es keine klaren Strukturen, wie diese gibt, sondern nur Arbeitsanweisungen wie ein Fehler behoben, oder ein defektes Teil ausgetauscht werden kann.Weil Kroatien eher traditionell in der Rollenverteilung der Geschlechter ist, war ich etwas für meine Kollegen schon etwas Besonderes: eine Frau in einem handwerklichen Berufn;). Dazu kamen die linguistischen Hürden. So wurde mein Aufenthalt aber um einiges interessanter. Viele der Mitarbeiter verstanden, wenn überhaupt nur minimalistisch Englisch oder Deutsch. Die Mitarbeiter, welche für mich verantwortlich waren, verstanden jedoch gut Englisch oder Deutsch, aber sie waren im Verwaltungstrakt und nicht in den Werkstätten. Somit wurde Google Übersetzer mein Wegbegleiter für die nächsten vier Wochen. Die Arbeiten, in die ich die meisten Einblicke bekommen habe, waren Lager- und Bremssystemrevisionen. Ein Arbeitstag ging bis 14:55. Die Mitarbeiter waren alle sehr freundlich, wenn auch etwas schüchtern und wortkarg.

In der Regel ergriff ich nachmittags Chance, in meiner Freizeit die Stadt und die Umgebung zu erkunden. Vor allem die örtliche Festung war ein sehenswertes Highlight. Auch war eine so nahe Grenze zu einem anderen Land eine Neuheit für mich, denn nur der Fluss Save trennte Brod und Bosnien.

Die Wochenenden waren freizeittechnisch eine Besonderheit. Denn es wurden Tages- oder Wochenendausflüge gemacht. So sah ich die Hauptstadt Zagreb, Crikvenica, Vukovar und die Parks Plitvička jezera und Papuk. Vor allem aber machte ich Bekanntschaft mit der Autobahn zwischen Slavonski Brod und Zagreb, denn wie heißt es so schön alle Wege führen nach Rom, oder anscheinend in Kroatien auf die langweiligste, nur geradeausführende, zwei-stündige Autobahn. Hier muss ich dazusagen, dass für Autofahrer, die sich gerne an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten, Kroatiens Straßen nichts ist. Denn dann ist man ein Verkehrshindernis, insbesondere in den etwas abseitsgelegenen Gegenden. Aber dies war nur einer der wenigen negativen Punkte, die ich an Kroatien und an den dort lebenden Menschen finden konnte. Außerhalb des Straßenverkehrs sind Kroaten unglaublich nett und gastfreundlich. Das habe ich bis jetzt selten woanders erlebt.

Alles im allen würde ich jedem ein Ausbildungspraktikum empfehlen, denn die Eindrücke und Erfahrungen, die man mit so einer Reise gewinnen kann, sind unglaublich und unvergesslich. Denn es sind die kleinen Geschichten und Erlebnisse, die es Wert sind, sich hinzusetzen und zu planen. Zum Beispiel als ich durch einen kleines Dorf fuhr, und etwas abgelenkt war von der doch unerwarteten bunten Häuserfarbe an viele Gebäuden, nutzten zwei Hunde Ihre Gelegenheit und fingen an mit meinem Motorrad Fangen zu spielen  .

Bei einem Auslandspraktikum bewegt man sich in der Regel außerhalb des gewohnten Verhaltensmusters und wird sehr oft mit neuen Herausforderungen oder Situationen konfrontiert. Und dies fördert einen sowohl beruflich als auch persönlich. Ich bin dankbar, dass die Heinrich-Kleyer-Schule uns Auszubildenen Informationen zu den Möglichkeiten von Auslandsaufenthalten gibt und uns in ihrem Netzwerk mit den richtigen Leuten zusammenbringt, die einen bei einem Auslandsaufenthalt unterstützen.