Meet a Jew

Ein persönlicher Austausch bewirkt, was tausend Bücher nicht leisten können. Diese Erfahrung durften am 19. Mai 2021 19 Schüler der Berufsfachschulklasse 11BFS2 machen. Im Rahmen des Projekts „Meet a Jew“ war an diesem Tag der 25-jährige orthodoxe Jude Gerald in ihrem PoWi-Unterricht zu Gast, um den Schülern aus seinem Alltag zu berichten. Das Projekt wird vom Zentralrat der Juden organisiert. Die Idee hinter dieser niedrigschwelligen Begegnung: Dem jüdischen Glauben ein Gesicht geben und miteinander ins Gespräch kommen, um Stereotype und Vorurteile sowie die Anfälligkeit für diese abzubauen.

Von Beginn an entstand eine freundschaftliche Gesprächsatmosphäre, in der die Schüler auch viele Gemeinsamkeiten zwischen Geralds und ihrer eigenen Lebenswelt erkannten. Über 90 Minuten waren alle Schüler der Klasse mit Enthusiasmus und Interesse dabei und stellten viele, viele Fragen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Fragen, die aufgegriffene Klischees enthielten oder hinterfragten, beantwortete Gerald ebenso ruhig und authentisch wie solche zu zu religiösen Traditionen, Ausgrenzungserfahrungen und der Bedeutung der jüdischen Identität für seinen Alltag. Er berichtete aus seiner persönlichen Perspektive und über seine individuelle Umsetzung des Glaubens: „Auch wenn ich nicht alle Regeln ganz streng befolge, ist mir mein Glaube als Teil meiner Identität sehr wichtig. Ich möchte ihn sehr gerne eines Tages an meine Kinder weitergeben.“ Gleichzeitig erklärte er der Klasse, wie vielfältig die jüdische Religion gelebt wird und welche unterschiedlichen Strömungen und Traditionen es gibt. Die Schüler interessierten sich besonders für die Regeln zur koscheren Lebensmittelzubereitung.

Gerald verdeutlichte zudem, dass jüdische Mitmenschen nicht immer als solche zu erkennen seien, da viele keine religiösen Symbole an sich tragen – teilweise aus Angst. Dennoch gehören sie zu unserer vielfältigen Gesellschaft, insbesondere in der Stadt Frankfurt. Jüdische Schulen oder auch der Sportverein Makkabi Frankfurt zählen Juden, aber auch Christen, Muslime oder Buddhisten zu ihren Mitgliedern – ganz genau wie Geralds Freundeskreis. Andersherum begegnen wir Juden in allen gesellschaftlichen Bereichen, teilweise auch ohne ihre Identität zu kennen.

Das rege Gespräch lockerte Gerald immer wieder mit verschiedenen Anschauungsmaterialien und Rückfragen an die Klasse auf. So schrieb er seinen Namen in hebräischer Schrift an die Tafel, zeigte eine Thora, führte Gebetsbänder sowie ein Gebetstuch vor. Die Frage nach dem Bevölkerungsanteil der Juden wandelte er in ein lebhaftes Ratespiel um. Das Ergebnis: In Deutschland und auch weltweit sind 0,2 Prozent der Bevölkerung Juden. Natürlich war auch der aktuell wieder aufkeimende Nahostkonflikt ein Thema. „Ich bin Deutscher und kein Israeli. Das Land Israel hat für mich zwar eine spirituelle Bedeutung, aber ich habe keinen Einfluss auf die israelische Politik und trage keine Verantwortung dafür“, machte Gerald in diesem Zusammenhang klar.

Alles in Allem war diese besondere PoWi-Stunde ein großer Erfolg. Julia Fechner, PoWi- und Klassenlehrerin in der Klasse, resümiert: „Die Schüler haben über den direkten, persönlichen Austausch sehr viel gelernt und vor allem wurde ein Bewusstsein dafür geschaffen, was es bedeutet, heute als junger jüdischer Deutscher in unserer Gesellschaft aufzuwachsen und zu leben.“

Meet a Jew - Begegnungsprojekt des Zentralrats der Juden